Seit der Wiedervereinigung Deutschlands hat der Lateinunterricht eine bemerkenswerte Kon­solidierung erlebt: Er wird zur Zeit von mehr als 770 000 Schülerinnen und Schülern besucht (Schuljahr 2005/2006) und nimmt nach Englisch und Französisch den dritten Platz in der Rangliste der Fremdsprachen des allgemeinbildenden Schulwesens ein.

Latein wird in erster Linie an Gymnasien, aber auch an Gesamtschulen unterrichtet, und zwar als zweite Fremd­sprache ab Klasse 5, 6 oder 7, als dritte Fremdsprache im Wahlpflichtbereich ab Klasse 8 oder 9 sowie als spätbeginnende Fremdsprache ab Klasse 10 oder 11. Je nach Lehrgangsform be­ginnt der Lateinunterricht mit der Lehrbuchphase, die zwei- bis drei Jahre umfasst und neben dem Erwerb der sprachlichen Grundlagen eine erste Einführung in die Geschichte und die Kultur der Römer sowie deren Fortleben bietet. Daran schließt sich die Lektüre lateinischer Originaltexte aus Antike, Mittelalter und Neuzeit an. Der Unterricht kann in der gymnasialen Oberstufe auf unterschiedlichen Niveaustufen bis zum Abitur fortgesetzt werden. Insgesamt ist Lateinunterricht nicht nur auf jeder Stufe möglich, sondern auch sinnvoll. Je nach Lehr­gangstyp werden der Sprach- und Lektüreunterricht hinsichtlich ihrer Inhalte, Ziele und zeitli­chen Ausdehnung sinnvoll differenziert; ferner werden die jeweils herrschenden lernpsycho­logischen und motivatorischen Bedingungen der Schüler sowie insbesondere die bereits vor­handenen Kenntnisse anderer Fremdsprachen bei der Gestaltung der verschiedenen Lehr­gangsformen berücksichtigt.

Zum vielfältigen literarischen Spektrum aus der Antike gehören u. a. der Fabeldichter Phae­drus, die Komödiendichter Terenz und Plautus, die Epiker Vergil und Ovid, der Epigramma­tiker Martial, Catull und Horaz sowie satirische Literatur (Horaz und Petro­nius). Ferner stehen historische Texte von Caesar, Sallust, Livius und Tacitus sowie rhetori­sche und philosophische Schriften von Cicero bzw. Seneca und christliche Literatur (Vulgata und Augustinus) zur Verfügung. Aus dem Mittelalter können beispielsweise Heiligenlegenden des Jacobus de Voragine, die Carmina Burana und Einhards Biographie Karls des Großen gelesen werden. Aus der Neuzeit kommen sowohl Texte der Humanisten Francesco Petrarca, Erasmus von Rotterdam und Thomas Morus als auch der neuzeitlichen Philosophen René De­scartes und Johan Amos Comenius in Frage. und die Lyriker

Das Latinum ist ein bundeseinheitlich anerkannter Abschluss und wird i. d. R. nach fünfjäh­rigem, aufsteigendem Lateinunterricht erreicht. In Ausnahmefällen kann es bereits nach drei Jahren mit einer schriftlichen und mündlichen Prüfung abgeschlossen werden. Näheres regeln die Kultusbehörden der einzelnen Bundesländer. Grundsätzlich kann Latein von jedem Schü­ler erlernt werden, der die Anforderungen des Gymnasiums bzw. vergleichbarer Kurse an der Gesamtschule erfüllt. Das Latinum ist an vielen deutschsprachigen Hochschulen und Univer­sitäten Voraussetzung für das Studium bestimmter Fächer (z. B. Deutsch, Englisch, Franzö­sisch, Latein, Griechisch, Geschichte, Theologie, Philosophie). In zahlreichen Fächern benö­tigt man das Latinum zur Magisterprüfung, zur Aufnahme eines Masterstudiums oder zur Promotion.