Der saarländische Landesverband möchte sich mit dem rheinland-pfälzischen vereinigen; dies soll endgültig auf einem gemeinsamen Kongress am 6.10. in Trier beschlossen werden.
Der saarländische Landesverband möchte sich mit dem rheinland-pfälzischen vereinigen; dies soll endgültig auf einem gemeinsamen Kongress am 6.10. in Trier beschlossen werden.
Johannes Breuer, Jochen Walter (Hrsg.), Violence in Antiquity. Religious Approaches to its Legitimation and Delegitimation, Stuttgart (Steiner) 2023, 42,00 Euro, ISBN 978-515-13450-7
An dieser Stelle einen wissenschaftlichen Tagungsband vorzustellen, dessen Beiträge überwiegend in englischer Sprache gehalten sind, mag der Rechtfertigung bedürfen. Doch leider ist das Thema der religiösen Legitimation (oder Delegitimation, aber das macht den geringeren Teil der Beispiele aus) von beklemmend ungebrochener Aktualität. Schon die Herausgeber beginnen ihr sorgfältig alle terminologischen Fragen abwägendes (in deutscher und englischer Sprache abgedrucktes) Vorwort mit einer Aufzählung von Gewalttaten der letzten Jahrzehnte, für die von den Akteuren selbst oder von dritter Seite eine religiöse Rechtfertigung vorgebracht wurde. Dass diese Liste seit der Tagung aus dem Jahr 2019, die dem Buch zugrunde liegt, und seit seinem Erscheinen länger geworden ist, muss man betrübt konstatieren. Den klugen definitorischen Überlegungen zu Religion und Gewalt kann man zum ersten Begriff insbesondere den Hinweis auf das scheinbare Paradox entnehmen, dass es zwar in der Antike keinen Terminus gibt, der unserer ‚Religion‘ entspräche, das Phänomen als solches aber Zusammenleben und Alltag, eben ohne einen eigenen Bereich zu bilden, in einem Maß durchdringt, dass aus gegenwärtiger Sicht erstaunlich erscheint. Die Beiträge sind chronologisch geordnet: Zunächst stellt Alexandra Eppinger die Prozesse gegen Anaxagoras, Diagoras und Protagoras vor, denen ‚Gottlosigkeit oder Asebie vorgeworfen wird, ohne dass man von Atheismus im gegenwärtigen Sinn sprechen könnte. Die Haltung der antiken Texte zum Vorgehen gegen dies Genannten lässt einen umfassenden Konsens über die Relevanz von Religion in antiken Gesellschaften erkennen. Iris Sulimani zeichnet nach, wie Diodor in seinem Geschichtswerk gewaltvolles Vorgehen von Göttern und Heroen zur Wiederherstellung der guten Ordnung rechtfertigt. Wegen seines Bezuges auch auf Texte des (Schulautors) Livius mag hier der Beitrag von Andreas Bärtschi bemerkenswert erscheinen: Er untersucht Tötungen zur Entsühnung von schlechten Vorzeichen in Rom. Konkret bezieht er sich auf das Selbstopfer des Marcus Curtius, der sich in einen Erdspalt auf dem Forum stürzt, auf Fälle von Vestalinnen, die nach dem Bruch ihrer Keuschheitsverpflichtung eingemauert werden, der rituellen Tötung von Fremden und der (mit Tötungsabsicht vollzogenen) Aussetzung von intersexuellen Kindern. Zwei Tendenzen lassen sich beobachten: Anlass der Gewalt ist eine umfassende gesellschaftliche Verunsicherung, z.B. durch Kriege oder andere bedrohlich empfundene Ereignisse. Und die Gewalt gegen andere (Ausnahme ist das Selbstopfer des Curtius) wird indirekt vollzogen; im Fall der Vestalinnen betont Livius die rituelle Notwendigkeit, während die anderen Fälle (Tötung von fremden und intersexuellen Kindern) tendenziell vom römischen Religionsbrauch abgerückt werden. Der Aufsatz von Kimberly B. Stratton stellt Texte vor, die das gewaltsame Vorgehen der Römer gegen die Juden rechtfertigen - aus christlicher Sicht argumentiert Justin, aus jüdischer Flavius Josephus. Die letzten drei Beiträge haben Texte zum Gegenstand, die sich mit gewaltsamem Handeln von Christen beschäftigen. Marcela Caressa bietet eine differenzierte Analyse einer Episode aus der Kirchengeschichte des Rufinus, in der von der Zerstörung eines Kultbildes in - so die These der Verfasserin - bereits vorchristlicher Zeit. Die Hinwendung des Augustinus zu einer Befürwortung von Gewalt im Umgang mit den Donatisten als vom Christentum abweichende Gruppe untersuchen Maijastina Kahlos und Liliane Marti. Am Ende steht ein Beitrag von Kathleen M. Kirsch, die aufzeigt, wie der christliche Dichter Prudentius in seiner Psychomachie die martialische (Bürger-)Kriegstopik aus der römischen epischen Tradition überführt in eine Darstellung des Kampfes der Tugend gegen das Laster, die das Gewaltsame als zum Guten des Menschen dienend erweisen will. - Der Band ist ein vorzügliches Beispiel, wie solide philologische Arbeit an Texten nicht nur zu erhellenden Einzelresultaten, sondern auch zu Einsichten führt, die zum Verständnis (und damit zur Lösung) gegenwärtiger Konfliktsituationen beitragen können.
Stefan Freund
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