Dezember 2022

Verehrte Leserinnen und Leser,

in unregelmäßigen Abständen werden in der Presse oder in manchen Sendern Äußerungen zitiert, wonach die klassischen und die modernen Fremdsprachen in der Schule als im ersteren Falle gewissermaßen schlechte und im zweiten Falle gute Wahl gegeneinandergestellt werden. Für den DAV war diese Sicht stets nicht nachvollziehbar, da doch die Verschränkung und Vernetzung der Disziplinen, der Sprachen, der Fächer ein konstituierendes Merkmal unserer Arbeit darstellt. Oftmals werden an konkreten Einzelstandorten bzw. Schulen die Fächerguppen allerdings rein technokatisch, das heißt von der Stundentafel her, in eine falsche Konkurrenz gerückt, in wecher sich die jeweiligen Fachschaften überhaupt nicht sehen. Varianten zum gesamten Thema gibt es erwartbarerweise auch in unseren Nachbarländern: In der ZEIT vom 27. November 2022 wird ein Deutschlehrer aus Frankreich zitiert, der sich „ärgert“ dass „seine Schülerinnen und Schüler lieber Latein lernen als Deutsch“. Beide Fächer haben dort bekanntlich keinen ganz leichten Stand. Insofern wird die erwähnte Konkurrenz auch durch äußere Umstände verstärkt. Im Einzelnen gab es im vergangenen Quartal vor allem Beiträge aus folgenden Bereichen:

  1. Latein und Griechisch als Schulfächer,
  2. Besonderes von den Klassischen Sprachen,
  3. Neues aus den benachbarten Altertumswissenschaften.

Zum Themenbereich 1.

Der SWR hat in seinem Kulturprogramm SWR2 eine Sendung zusammengestellt und am 03.12.2022 gesendet, worin die Vorzüge eines modernen und auf viele Anwendungen und Bedarfe ausgerichteten Lateinunterrichts vorgestellt und erläutert werden. Die vielfältigen Potenziale des Faches zeigen sich demnach nicht nur in der Verbreiterung des Lektürekanons und der immer noch weiter gesteigerten Attraktivität der Aufbereitung der Inhalte. Zunehmend liegen Ergebnisse der unterrichtsbegleitenden Forschung zum Gewinn im Lateinunterricht für Schülerinnen und Schüler mit Deutsch als Zweitsprache vor. Latein bietet sich der Sendung zufolge nicht nur grundsätzlich als Integrationsfach für recht weite Teile der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland an, sondern darf auch in der breiten Öffentlichkeit - wohlgemerkt europaweit - als solches wahrgenommen werden. Der Bogen der angesprochenen Aspekte spannt sich von der Sprachförderung über die Einbeziehung von Fantasy-Romanen, eine große Wissensbandbreite in der europäischen Kultur bis hin zur Stärkung der Studierfähigkeit auf dem Wege der Sprachdurchdringung auf Basis der Sichtbarmachung von Sprachstrukturen. Die halbstündige Sendung leuchtet erstaunlich viele Blickwinkel, Standpunkte, Bereiche und Möglichkeiten aus und lässt eine ganze Reihe von Stimmen zu Wort kommen. Prädikat: Äußerst hörenswert.

Seit dem 03.12.2022 als Podcast:

SWR2 WISSEN

Latein als Schulfach – Das Potenzial der alten Sprache

VON LUKAS MEYER-BLANKENBURG

Sendung am Sa., 3.12.2022 um 8:30 Uhr

Aus dem Erläuterungstext von SWR2:

[...] Lateinlehrer sehen sich zu Unrecht in der Defensive und betonen die Vielfalt ihres Fachs.

Tatsächlich entdeckt die Schuldidaktik sein Potenzial neu: Spracherwerb, moderne Lektüre, Integrationshilfe und kulturelle Bildung. Wird das Schul-Latein unterschätzt?

Link: Latein als Schulfach – Das Potenzial der alten Sprache - SWR2


Ein weiteres Leitmedium, die SZ, behandelte das Thema stellvertretend für den Münchner Raum im Oktober vom Ansatz her grundsätzlich, blieb aber konkret eher im Rahmen der üblichen Kategorien und Sichtweisen:

SÜDDEUTSCHE  ZEITUNG

Bildung in München - Stirbt das humanistische Gymnasium?

Von Kathrin Aldenhoff

Während das Interesse an Technik und Naturwissenschaften boomt, entscheiden sich immer weniger Kinder in München für Latein und Altgriechisch. Dabei haben die Humanisten deutlich mehr zu bieten

als nur alte Vokabeln.

Link: München: Stirbt das humanistische Gymnasium? - München - SZ.de (sueddeutsche.de)

(Artikel mit Bezahlschranke) 


Stellvertretend für die daraufhin eintreffenden Zuschriften veröffentlichte die SZ zwei Leserbriefe, diesmal ohne Bezahlschranke:

Bildung in München: Alles ist im Fluss - auch bei Latein 

[Anm. d. Red.: mit Foto von OStD Michael Hotz]

Link: Leserbriefe: Alles ist im Fluss - auch bei Latein - Ihre SZ - SZ.de (sueddeutsche.de) 


DEUTSCHLANDFUNK  KULTUR

(Mit Druckfehler, aber anregend:)

Altgriechisch als Schulfach

Von Sokrates das Fragen lernen

Ein Standpunkt von Claudia Cornelsen

Ob Nike-Turnschuhe, Chloe-Parfüm oder die platonische Liebe – es steckt deutlich mehr Altgriechisch in unserem Wortschatz als Leber im Leberkäs, sagt die Kommunikationsberaterin Claudia Cornelsen. In keinem Schulfach hat sie mehr übers Leben gelernt.

Link: Altgriechisch als Schulfach - Von Sokrates das Fragen lernen | deutschlandfunkkultur.de 


Zum Themenbereich 2.

MÄRKISCHE ODERZEITUNG

Wissenschaft in Brandenburg

Schulleiter aus Fürstenwalde übersetzt erstes Wörterbuch Chinesisch-Latein ins Deutsche

Markus Mollitor hat mit Schülern aus Fürstenwalde das allererste Wörterbuch Chinesisch-Latein ins Deutsche übersetzt. Es ist mehr als 300 Jahre alt. Was steht drin und wer hat es in Auftrag gegeben?

Link: Wissenschaft in Brandenburg: Schulleiter aus Fürstenwalde übersetzt erstes Wörterbuch Chinesisch-Latein ins Deutsche | MMH (moz.de) 

(Artikel mit Bezahlschranke) 


LUZERNER  ZEITUNG

KURT STEINMANN ÜBERSETZT

Luzerner übersetzt tödliche Medea: Diese Frau foutiert sich in Integration 

Auch Frauen können brutal sein, das weiss man nicht erst seit der neueren Kinogeschichte. Der Luzerner Altphilologe Kurt Steinmann hat das klassische griechische Drama «Medea» über eine Frau aus dem Osten neu übersetzt. Seine Aktualität frappiert.

Link: Kurt Steinmann: Übersetzung von "Medea" packend aktualisiert (luzernerzeitung.ch)


Zur Rhetorik eine Kolumne mit Anklängen an die Antike: 

CAPITAL

Sage, was Du meinst, und meine, was Du sagst

Von Niels Albrecht

Link: Sage, was Du meinst, und meine, was Du sagst - Capital.de


Zum Themenbereich 3.

Neuigkeit zum etruskisch-römischen Kulturtransfer:

Vor wenigen Wochen sorgte ein Sensationsfund im italienischen San Casciano dei Bagni für Aufsehen selbst in der Tagesschau: Im Schlamm einer Thermalquelle wurden bestens erhaltene entruskische Statuetten entdeckt. Besonderer Glücksfall für die Forschung: Es fanden sich zweisprachige Titulierungen in Etruskisch und Latein. Dies verhilft der Forschung zu weiteren Erkenntnissen über die wegen der römischen Absorption und Austilgung weitgehend rätselhaft gebliebene etruskische Sprache und Kultur.

ARD aktuell

tagesschau

Thermal-Kurort in Italien

Forscher finden Bronzestatuen im Schlamm

Im Schlamm heißer Quellen in der Toskana haben italienische Archäologen einen spektakulären Fund gemacht: Sie entdeckten mehr als 20 ausgezeichnet erhaltene Bronzestatuen. Außerdem wurden Gold-, Silber- und Bronzemünzen freigelegt. [...]

Link: Thermal-Kurort in Italien: Forscher finden Bronzestatuen im Schlamm | tagesschau.de


FAZ

ETRUSKISCHE STATUEN

Fruchtbar im antiken Luxusbad

Frühe Kinderwunschklinik: Vier neugefundene Bronzestatuen erzählen davon, wie etruskische und römische Welt friedlich zusammenfanden.

Link: Etruskische Statuen: Fruchtbar im antiken Luxusbad (faz.net) 


Die wegen Mittelstreichungen gefährdete Internetpräsenz Qantara präsentiert:

QANTARA.DE

200 Jahre Entzifferung der Hieroglyphen: Schau im British Museum

Link: 200 Jahre Entzifferung der Hieroglyphen: Schau im British Museum (qantara.de)


Alte Geschichte (und ihre heutigen Stars):

NEUE ZÜRCHER ZEITUNG

Wenn Mary Beard vom alten Rom erzählt, fangen die Girls an zu kreischen

Mary Beard ist ein Pop-Star der Wissenschaft. Die britische Historikerin kratzt am Lack, mit dem die Antike jahrhundertelang übertüncht wurde. Auch wenn das, was darunter zum Vorschein kommt, wenig erfreulich ist. Notizen eines Gesprächs. 

Link: Mary Beard: Pop-Star der Wissenschaft, streitet mit Boris Johnson (nzz.ch)


SELKETS BLOG

Weitere Gräber in der Nekropole von Quesna freigelegt

Link: Weitere Gräber in der Nekropole von Quesna freigelegt (selket.de)


Personalia:

Zum Tode von Gymn.-Prof. Dr. Adalbert Fink

siehe den Nachruf von Ulrich Kühn (Hannover) in:

Latein und Griechisch in Baden-Württemberg, Heft 2/2022

Zum Tode von Gymn.-Prof. Dr. Helmut Vester

Ein Nachruf wird erscheinen in:

Latein und Griechisch in Baden-Württemberg, Heft 1/2023

Beide Persönlichkeiten wirkten prägend für die

humanistische Bildung weit über den deutschen

Südwesten hinaus.


Buchtipp: 

Melanchthon, Philipp:

De miseriis paedagogorum / Über die Leiden der Lehrer

Lateinisch/Deutsch
Übers., Komm. und Hrsg.: Ritter, Carolin
91 S. 1 Abb.
ISBN: 978-3-15-019321-1

Preis: € 6,60


Zusammenstellung und Kommentierung: 

Karl Boyé

Vortrag von Prof. Dr. Niklas Holzberg (München):

Spiel mit Liebe und Literatur: Die erotische Elegie der Römer.

Mittwoch, 7. Dezember 2022, 18.15h-20h

DIGITAL unter https://uni-freiburg.zoom.us/j/67070856307?pwd=Y1BaMzAwakwrZnozeEsrYXV6QkVLQT09

(auch in Präsenz in der Universität Freiburg i.Br., Kollegiengebäude I, HS 1015).


Fachdidaktischer Vortrag von Prof. Dr. Peter Kuhlmann (Göttingen):

Wortschatzlernen in den Neuen Sprachen und im Lateinunterricht - ein Vergleich.

Mittwoch, 14. Dezember 2022, 16.15h-17.45h,

DIGITAL unter https://uni-freiburg.zoom.us/j/65457047232?pwd=eHczVlZ3NGRhUW9VR2hDOTdGR3pnUT09

(auch in Präsenz an der Universität Freiburg i.Br., Kollegiengebäude I, HS 1142).


Fachdidaktischer Vortrag von Carolin Giere (Freiburg):

Mittel- und Neulatein im Schulunterricht – Chancen und Herausforderungen.

Mittwoch, 18. Januar 2023, 16.15h-17.45h

DIGITAL unter https://uni-freiburg.zoom.us/j/63672716614?pwd=amZXNHFpVitoQU5IOU1zN1BWZkpuUT09

(auch in Präsenz an der Universität Freiburg i.Br., Kollegiengebäude I, HS 1142).

Am Montag, dem 16. 1. 2023, 18 Uhr c.t., hält Prof. Michael Erler, Würzburg, zum Abschluss des Semesters der Zentralabiturlektüre im Fach Griechisch, erneut seinen Vortrag "Hilfe für den Gott. Religion und Aufklärung in Platons Euthyphron", diesmal über ZOOM, so dass nicht nur Kolleginnen und Kollegen, sondern auch Schülerinnen und Schüler sich werden dazuschalten können!

Wie kann das Fromme definiert werden? Wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen unserer Vorstellung vom Göttlichen und der Platons bzw. der Antike? Was gewinnt Platon dadurch, dass er eine solche Thematik nicht in einem Traktat behandelt, sondern in einem szenischen Dialog, der bestimmte Personen und eine konkrete Handlung beinhaltet?

Diese und ähnliche Fragen werden sicher über den Kreis der Gräzisten und Griechisch-Schüler hinaus auch einen größeren Kreis von Interessenten finden, die herzlich willkommen sind!

Aufgrund des großen Erfolges in diesem Jahr, wird es kurz vor den Sommerferien für Latein- und Griechisch-Schülerinnen und -Schüler wieder die Möglichkeit geben, gemeinsam mit Ihren Lehrkräften in Göttingen Uni-Luft zu schnuppern und sich mit Studierenden sowie Dozentinnen und Dozenten der Alten Sprachen auszutauschen (gedacht ist an die Jahrgänge 11 und 12, für Jg. 10 ist das aber sicher auch schon interessant!):

Am Dienstag, dem 20.6.2023, wird wieder der Tag der Alten Sprachen an der Georgia Augusta in Göttingen stattfinden - Kurzvorträge zu Zentralabiturthemen inklusive! Prof. Nesselrath wird über Sophokles, Antigone, Prof. Kuhlmann über Tacitus, Annalen sprechen - ohne Frage Themen, die nicht nur für diejenigen Schülerinnen und Schüler, die eine Abiturprüfung in den Alten Sprachen anstreben, von Interesse sein dürften! Der NAV spendiert wieder das Mensa-Essen und eine Führung in der Abgusssammlung wird es auch wieder geben!

Und wir danken dem Gymnasium Marianum in Meppen für die freundliche Einladung, am Freitag, dem 29. September 2023, den diesjährigen Latinistentag dort abzuhalten - und besonders der dortigen Fachgruppe unter Federführung von Hendrik Schutte für die tatkräftige Vorbereitung!

Herzliche Einladung nach Thüringen zum Mitteldeutschen Lateinlehrerinnen- und Lateinlehrer-Tag. Er wird am Sonnabend, dem 25. März 2023, in Erfurt in den Räumen des Augustinerklosters stattfinden und unter einem doppelten Motto stehen:

Lebenslanges Lernen – Lernen am anderen Ort.

Nähere Informationen finden sich demnächst auf den Seiten des Thüringer Instituts für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (www.schulportal-thueringen.de) und des Thüringer Landesverbands (thuerav.de).

Wir wünschen Ihnen eine besinnliche Adventszeit, ein frohes Weihnachtsfest und einen guten Start in ein Jahr 2023, das, wenigstens derzeit und wenigstens im Hinblick auf die Pandemie, wieder etwas mehr Normalität in unserem Tun verspricht.

Ihre

Stefan Faller, Stefan Freund und Katja Sommer