Der Griechischunterricht beschäftigt sich anhand von griechischen Texten intensiv mit der Sprache und Kultur des antiken Griechenlands. Besonders charakteristisch ist dabei das im Griechischunterricht vermittelte Erlebnis von Ursprungsprozes­sen (z. B. die Entstehung von Literatur, Wissenschaft und Philosophie).

Diese prägen die europäische Kultur bis heute nachhaltig. So ist das antike Griechen­land ein lebendiger Bestandteil unseres gesellschaftli­chen Lebens: Wir finden es in der Literatur, im Theater, im Film und in der bildenden Kunst, ferner im politischen Denken, in der Philosophie und der Ethik unserer Zeit; seine Sprache lebt in zahlrei­chen Begriffen unserer Sprache fort und wird bis heute in ihrer modernen Aus­prä­gung, dem Neugriechischen, geschrieben und gesprochen. Auf der Grundlage dieses Er­lebnisses ver­mittelt der Griechischunterricht durch die Förderung sprachlicher, kultureller und persona­ler Kompetenzen ein für unsere Gegenwart wichtiges Ori­entierungswissen mit langfristig wirksamen Qualifikationen, wobei Allgemeinbildung und Studierfähigkeit nachhaltig gefördert werden. Dies ist von beson­derer Bedeu­tung, da in unserem Zeitalter der Dritten Industriellen Revolution spe­zialisiertes Fachwissen in immer kürzeren Zeitintervallen veraltet.

1. Die Differenziertheit der griechischen Sprache und ihr im Deutschen stark ver­wendeter Wortschatz (Fremd- und Lehnwörter) entwickeln muttersprachliche Kom­petenz, bewusste Sprachreflexion sowie die Fähigkeit zum Umgang mit geistes- und naturwissenschaftlicher Terminologie. Zugleich vertieft die systematische Erarbei­tung der griechischen Grammatik die Kenntnis von grundlegenden Sprachkatego­rien. Durch Übersetzung, Interpretation und Über­setzungsvergleich werden analy­tisch-kritisches Denken, Methodenbewusstsein, die Fähigkeit zur Entwicklung von Problemlösungsstrategien und schöpferische Kreativität ge­fördert.

Zudem bietet der Unterricht im Altgriechischen (in einer für eine Klassische Sprache einzigar­tigen Weise) auch den Ansatz zum Erwerb neusprachlicher Kommunikationskompetenz: Etwa 25% des in den gängigen Altgriechisch-Lehrbüchern verwendeten Wortschatzes existieren völlig identisch im Neugriechischen. Unter Berücksichtigung der veränderten Aussprache kann die­ser Wortschatz unmittelbar eingesetzt werden. Dementsprechend gibt es vielfältige Bemühun­gen, das Neugriechische in den Unterricht des Altgriechischen zu integrieren.

2. Die antiken Griechen haben Europa nachhaltig geprägt. Der Griechischunterricht führt in die Hintergründe und Fundamente europäischer Kultureuro­päisches Grundlagenfach. Dies lässt sich insbeson­dere an folgenden Bereichen zeigen: ein und fördert eine historisch fun­dierte europäische Identität sowie historisches Bewusstsein. Somit ist Griechisch ein wichti­ges

- Literarisch-mythologischer Bereich:

Der Griechischunterricht führt in grundlegende Formen europäischer Literatur (z. B. Epos, Tragödie, Komödie, Lyrik, Geschichtsschreibung) und in mytholo­gische Grund­mu­ster Europas ein (z. B. Achilleus, Antigone, Medea, Odysseus und Ödipus als Pro­totypen menschlicher Existenzprobleme).

- Philosophisch-ethischer Bereich:

Der Griechischunterricht gewährt einen systematischen Einblick in die Grund­lagen abendländischer Philosophie (z. B. Thales, Heraklit, Epikur, Sokrates und Platon). Da­her gibt es im Unterricht immer wieder Anlass zu intensiven Dis­kussionen über Grundpro­bleme und Bedingungen des menschlichen Lebens. Der Griechischunterricht kann Grundlagen für ethisch begründete Werthaltun­gen vermitteln (z. B.: Was ist Ge­rechtig­keit, was Glück, wo liegt der Ursprung der Welt?).

- Politisch-gesellschaftlicher Bereich:

Der Griechischunterricht verschafft einen Einblick in die historischen Grundla­gen po­liti­scher Systeme (z. B. Demokratie, Monarchie, Aristokratie). Er vermittelt politi­sche Grundkompetenz und sensibilisiert für gesellschaftliche Probleme - eine unerlässliche Voraussetzung für jeden Bürger eines demo­krati­schen Staates.

- Architektonisch-künstlerischer Bereich:

Im Griechischunterricht erfolgt eine Begegnung mit wichtigen Grundlagen der bilden­den Kunst und Architektur und ihrer Rezeption in Europa (Vasenmalerei, Relief, Mar­mor- und Bronzeplastik, Tem­pel, Theater).

- Christlich-religiöser Bereich:

Griechisch ist die Ursprache des Neuen Testaments und bietet einen Ausblick auf die Fundamente christlicher Religion. So stammen beispielsweise zahlrei­che Grundbe­griffe des Christentums aus dem Griechischen: Bibel (= Buch), Evangelium (= frohe Bot­schaft), Pfingsten (= 50. Tag nach Ostern).

 

3. Die Öffentlichkeit fordert zu Recht immer wieder von der allgemeinbildenden Schule, das Wertbewusstsein und die Verantwortungsbereitschaftpersönlichen Entwicklung der Schüler leisten. ihrer Schüler zu fördern. Gerade hier kann der Griechischunterricht aufgrund seiner spezifi­schen Inhalte einen wertvollen Bei­trag zur

Die Griechen haben sich in intensiver Reflexion mit der sie umgebenden Welt aus­einander­ge­setzt: Ihre Fragen galten dem Menschen, der Gesellschaft, der Natur und der Religion. So­mit steht dem Griechischunterricht ein einzigartiges Reservoir von Texten zur Verfügung, die - in herausragender literarischer Qua­lität - den Schüler mit den Grundproblemen und Bedin­gungen des menschlichen Lebens konfrontieren. Die pädagogische Qualität dieser Texte be­steht in ihrem ursprünglichen und funda­mentalen Charakter, der über ihre historische Entste­hungssi­tuation hin­ausweist:

Platons Frage nach der bestmöglichen Erziehung des Menschen oder dem idealen Staat konfrontiert uns mit Fragestellungen, die auch für unsere demo­kratische Gesellschaft nichts an Aktualität eingebüßt haben und zur kritischen Auseinandersetzung herausfor­dern; der Historiker Herodot erörtert die Pro­blematik kultureller Gegensätze und de­mon­striert zugleich kulturelle Toleranz gegenüber dem Fremden; die attische Tragödie setzt sich eingehend mit dem nach wie vor aktuellen Problem menschlicher Schuld aus­einan­der; der Mythos veranschaulicht Grundsi­tuationen menschlicher Existenz in ver­schiedenen lite­rarischen Formen, z. B. am Schicksal des Odysseus oder der Antigone.

Trotz ihrer Entstehung in einer für uns weit entfernten Zeit können diese Texte den Leser mit seiner eigenen Lebenssituation konfrontieren und so zu einer kritischen Aus­einandersetzung anregen. Im Gegensatz zur oben skizzierten Ansicht der Hu­mani­sten und Neuhumanisten haben die Gedanken der griechischen Autoren für uns heute zwar in aller Regel keinen Vor­bildcharakter und bieten auch keine mustergültigen Hand­lungsanweisungen. Sie stellen aber Denkmodelle dar, die der exemplarischen Pro­blemdarstellung und -erörterung dienen. Diese für den Grie­chischunterricht cha­rakteristische Beschäftigung mit naturwissenschaftlichen, philosophischen oder ge­sellschaftlich-politischen Denkmodellen und den dabei immer wie­der gestellten Grundfragen des Was? Wie? Warum? Wozu? leitet dazu an, nach dem Grund und dem Sinn einer Sache zu fragen. Die Schüler werden dazu angeregt, vor dem Hintergrund der antiken Texte gegenwärtige Probleme zu erkennen und über ihre Lösungen zu diskutieren, Alternati­ven zu aktuellen Lebens- und Denkgewohn­heiten zu reflektieren und Zukunftsper­spektiven zu entwerfen. Zudem bietet der Griechischunterricht vielfältige Möglichkeiten fä­cherübergreifen­den und projektori­entierten Arbeitens, nämlich mit den Fächern Biologie, Chemie, Darstellen­des Spiel (bzw. Dramati­sches Gestalten), Deutsch, Ethik, Ge­schichte, Kunst, Latein, Mathe­matik, Musik, Philosophie, Physik und Religion. Griechisch kann dabei die Rolle ei­nes Inte­grationsfachs übernehmen, das Natur-, Sozial- und Geisteswissen­schaften zusammenführt.

Die Förderung differenzierter sprachlicher Fähigkeiten, der ausgeprägte Gegen­wartsbezug, das immer wieder begegnende Ursprungserlebnis mit seiner europäisch ausgerichteten Tiefen­schärfe und die inhaltliche Vielfalt machen den Griechischun­terricht zu einem ganzheitli­chen Sprach- und Kulturunterricht mit einem unver­wechselbaren Profil.