Liebe Mitglieder des Deutschen Altphologenverbandes,
liebe Freunde der Alten Sprachen,
amici linguarum antiquarum, φίλοι γλωσσῶν ἀρχαίων!
In großer Vorfreude auf den Bundeskongress in Wuppertal senden wir Ihnen und Euch heute unseren Newsletter!
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Holland, Tom (2024), Pax. Krieg und Frieden im Goldenen Zeitalter Roms, aus dem Englischen von Susanne Held, Stuttgart (Klett-Cotta), 440 S., 11 Karten, 33 Farbabb., ISBN 978-3-608-98758-4, 32,00 Eur., e-book 978-3-608-12232-9, 25,99 Eur.
Ὁρᾶτε γὰρ ὅτι εἰρήνην μεγάλην ὁ Καῖσαρ ἡμῖν δοκεῖ παρέχειν, ὁτι οὐκ εἰσιν οὐκέτι πόλεμοι οὐδὲ μάχαι οὐδὲ λῃστήρια μεγάλα οὐδὲ πειρατικά, ἀλλ᾿ ἔξεστιν πάσῃ ὥρᾳ ὁδεύειν, πλεῖν ἀπ᾿ ἀνατολῶν ἐπὶ δυσμάς („Betrachtet doch nur den tiefen Frieden, den Caesar uns verschafft hat […] Es gibt keine Kriege oder Schlachten, keine Banditen oder Piraten, und das heißt, wir können reisen, wie es uns gefällt, und von Osten nach Westen segeln“ S. 366) lauten im Wortlaut die von Holland (H.) mehr paraphrasierend zitierten Worten des Philosophen Epiktet, um den Zustand des römischen Reiches unter der Herrschaft Hadrians zu beschreiben. Diese Wertschätzung der pax Romana sei „das fundierte Urteil eines Mannes, der weithin als der weiseste Mensch der Welt angesehen wurde" (S. 366). Es habe jenseits der persönlichen Sicht seines Verfassers der Vision des Kaisers entsprochen. Auch bei den Griechen habe diese aus der Erfahrung und Einsicht heraus Anklang gefunden, dass die Folgen ihrer Kriege innerhalb der kulturellen Gemeinschaft für alle Beteiligten „ruinös“ (S. 367) gewesen seien. Deshalb hätten sie sich von der versöhnenden Idee eines Panhellenion überzeugen lassen, das den Poleis, allen voran Athen und Sparta, dauerhaften Frieden und Wohlstand gebracht habe. Fände diese Lehre aus der Geschichte doch auch heute Beachtung!
Zu den friedensichernden Maßnahmen Hadrians zählt der Verf. außerdem den Auf- und Ausbau von Barrieren an den Außengrenzen des Imperiums wie etwa den Hadrianswall in Britannien, den Limes in Germanien und Befestigungsanlagen in Numidien; sie habe der Kaiser auf seinen ausgedehnten Reisen persönlich aufgesucht und dabei die dort stationierten Legionen inspiziert. Denn er sei zu der Überzeugung gelangt, „dass Expansionen über die natürlichen Grenzen der römischen Herrschaft hinaus das gesamte Gefüge des Imperiums bedrohten, woraus folgte, dass der ehrwürdige Traum von einer Herrschaft ohne Grenzen, einer Herrschaft, die buchstäblich die gesamte Welt umfasste, nichts weiter war als Phantasterei" (S. 352).
Hadrian habe also mit dem von Vergil formulierten römischen Anspruch auf Weltherrschaft (imperium sine fine Aen. I 279) gebrochen und die Verwirklichung eines innerhalb der Grenzen gültigen Friedens in den Mittelpunkt seiner Politik gerückt. Deshalb habe er den Rückbau der Eroberungen Trajans, seines Vorgängers und Adoptivvaters, in Mesopotamien und Dakien, aber auch im Norden der britischen Insel vorgenommen und eine Konsolidierung der römischen Macht im Inneren des Imperiums durch einsatzbereite Legionen an seinen Rändern vorangetrieben, um den allgemeinen Wohlstand im römischen Reich zu fördern. Die Gefährdungen der staatlichen Stabilität und der persönlichen Lebensumstände, die nach Neros Tod immer wieder in häufigen Thronwechseln und Ambitionen einzelner seit dem Vier-Kaiser-Jahr 68/69 bestanden hätten, habe er so in eine Epoche weitgehenden Friedens überführen können. Dieser Blick auf Hadrian lässt den Rezensenten auch ausgehend vom Titel des Buches den schon oben angesprochenen, dennoch aber eher vagen Eindruck gewinnen, dass es dem Verf. um ein Lob des Friedens im römischen Reich als Modell für unsere Welt gehen könnte. Dem steht allerdings zugleich entgegen, dass H. seinen historischen Abriss mit Hadrian abbricht, ohne auf seinen Nachfolger Antonius Pius einzugehen, der das Friedensprojekt seines Adoptivvaters langjährig fortsetzte. Auch der Detail- und Episodenreichtum in der Skizzierung der anderen, meist weniger friedfertigen Kaiser von Nero bis Trajan lässt Zweifel an der vermuteten Intention des Werkes aufkommen, da es keine durchgängig klare derartige thematische Orientierung erkennbar werden lässt.
In H.s Sicht kannte die pax Romana in ihrer hadrianischen Ausprägung zudem Ambivalenzen. „So wie die Athener unter der Schirmherrschaft Hadrians ihre alte Würde wiedererlangt hatten" (S. 368), hätten sich auch die Einwohner Jerusalems 60 Jahre nach der Zerstörung der Stadt ihren Wiederaufbau und besonders ihres Tempels erhofft. „Doch {sie} sollten enttäuscht werden" (S. 371, auch S. 348). Der Bau einer neuen, nach dem nomen gentilicium Hadrians benannten colonia Aelia Capitolina anstelle der Revitalisierung Jerusalems sei als Demütigung für ein „unverbesserlich rebellisches Volk“ (S. 371) angeordnet worden. Eine solche nachdrückliche Romanisierung nach dem Vorbild Korinths sei in der Perspektive des Kaisers „der sicherste Weg {gewesen}, einen dauerhaften Frieden zu garantieren“ (S.371). Dabei verkennt H., dass Hadrian mit der Gründung der colonia in erster Linie ein Privileg an ihre Bewohner vergab, nämlich die civitas Romana und Steuerfreiheit. Dass das neue, im Zuge der Stadtgründung errichtete Jupiterheiligtum an Stelle der erhofften Erneuerung der Beth haMikdash auf dem Tempelberg gestanden habe, entspricht ebenfalls nicht der wissenschaftlichen communis opinio, wie es bei H. den Anschein erweckt. Auch die fortdauernde Erhebung des fiscus Iudaicus anstelle der Tempelsteuer sowie ein mögliches Beschneidungsverbot Hadrians dürften weniger ursächlich für den nur wenig später ausbrechenden Bar Kochba-Aufstand gewesen sein als die wirtschaftlichen Verhältnisse in Judäa. Diese Zusammenhänge hätten Erwähnung bei H. verdient.
Anders als in Griechenland sei es Hadrian in diesem Teil der römischen Welt nicht gelungen, den Grundstein für dauerhaften Frieden zu legen, vielmehr habe er die Rebellion in Judäa überaus blutig niedergeschlagen und als Symbol seiner Macht ein kaiserliches Standbild aufstellen lassen, „als wolle er die letzte Erinnerung an das niedertrampeln, was Aelia Capitolina vormals gewesen war“ (S. 386).
Gerade diese Ereignisse offenbaren in der Sicht des Autors den repressiven Charakter des römischen Friedenskonzepts Hadrians: „Der Frieden war die Frucht des Sieges – des immerwährenden Sieges“ (S. 390). Ohne dass H. Vergil erwähnt, hatte in dieser Perspektive sein Diktum auch mehr als eineinhalb Jahrhunderte später noch nichts von seiner Gültigkeit eingebüßt: tu regere imperio, Romane, memento / hae tibi erunt artes, pacique imponere morem, / parcere subiectis et debellare superbos, Aen. VI 851-53. Frieden ist also die Anerkennung der Suprematie der Sieger durch die Unterlegenen, nicht die gleichberechtigte Anerkennung differierender Interessen. Bei der Vermittlung des Panhellenions durch Hadrian deutete H. allerdings ein an gegenseitigem Interessenausgleich orientiertes Friedenskonzept an. Insofern ist der von ihm verwendete Begriff der pax Romana nicht klar definiert und bleibt deshalb zu vage, um die Frage nach der Intention des Buches unter seinem Titel Pax schlüssig zu beantworten.
Blickt man nach der Lektüre noch einmal zurück, bleibt der Eindruck zwiespältig. Es ist angenehm unterhaltsam zu lesen, die historischen Ereignisse und ihre Bedingungen sind anschaulich dargestellt, aber man vermisst im Interesse präziser historischer Erkenntnis die kritische Auseinandersetzung mit den reichlich beigezogenen Quellen, also die Erörterung der Frage nach deren verfolgten Absichten und Perspektiven. Auch werden sie gelegentlich nachlässig zitiert, wie etwa das eingangs erwähnte Wort Epiktets. Er hat es nicht selbst hinterlassen, wie die zugehörige Anmerkung 26, S. 416, den Anschein erweckt, sondern wird bei Arrian, Epicteti dissertationes ab Arriano digestae 3.13.9. überliefert. Darüber, dass porticus, ein öfter erwähnter Bauwerkstyp, kein Wort masculini generis, sondern Femininum ist, mag man noch hinwegsehen, dass aber das Roman Climate Optimum, das mit der langen Friedenszeit unter Hadrian und Antonius Pius korreliert, unerwähnt bleibt, stellt in einem englischen Buch ein Manko dar, zumal der Buchtitel seine behandelte Epoche das Goldene Zeitalter Roms nennt. Somit bleibt als Fazit: Es bedarf wachsam kritischer Leser:innen.
Michael Wissemann
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