„Latein macht Spaß!“ Der in den letzten Jahren vermeldete Trend weckt an bemerkenswerter Stelle neuerliches Interesse: Josie Wickers (18), Texterin und Pianistin, und ihr Bruder Aaron (15), Schlagzeuger, spielen und singen auf Latein – bei weitem nicht nur für Eingeweihte.

Rendsburg/Pforzheim (DAV): Der Slogan „Latein groovt“ geht schon seit einiger Zeit um: Bereits vor Jahren hatte die Rap/Hiphop-Gruppe ISTA mit ihren lateinischen Texten für ein gewisses mediales Aufsehen gesorgt. Mit den Geschwistern Josie und Aaron Wickers aus Rendsburg hat das Genre der Popsongs in der Sondersparte Latein nun Verstärkung bekommen. Die beiden komponieren und arrangieren lateinische Titel für Aufnahmen und Aufführungen mit befreundeten Musikern. Unter dem Kürzel JAW-Music präsentieren sie ihre mit viel Leidenschaft kreierten Lieder. Jüngst ist ihre CD „Fortis es“ erschienen. Im Interview mit dem Deutschen Altphilologenverband (DAV) erläutern die Jungtalente ein wenig die Hintergründe der Entstehung ihres Debut-Albums:

 


DAV: Wie lange macht ihr schon Musik?


Josie und Aaron: Die Musik begleitet uns quasi schon unser Leben lang. Dabei sind wir unseren ersten Klavier- bzw. Schlagzeuglehrern noch immer treu.

Josie: Ich spiele schon ein Jahr länger Klavier, als ich überhaupt zur Schule gehe. Tja, und mittlerweile bin ich im 12. Jahrgang G9 [DAV: also des neunjährigen Gymnasiums].

Aaron: Ich spiele seit 8 Jahren Schlagzeug und singe seit 1-2 Jahren. Angefangen habe ich mit Beginn des Gymnasiums. Jetzt bin ich in der 9. Klasse. Außerdem bringe ich mir seit ca. einem Jahr selbst das Gitarrespielen bei.

Josie: Die Singerei hat bei uns beiden erst in den letzten ein bis zwei Jahren Gestalt angenommen. Seit diesem Zeitpunkt existiert nämlich unsere andere Band "Soakin' Wet", in der sowohl mein Bruder Aaron als auch ich singen.

 

DAV: Wie ist bei Euch der Lateinunterricht gestaltet, und was daran regt euch für eure Texte an?

Josie: Seit Eintritt in die Oberstufe ist es bei mir doch übermäßig Arbeit an Originaltexten, begleitet von der einen oder anderen Grammtikwiederholung (auch in Form von Referaten). Ebenso natürlich Stilistik, Metrik, Analyse... Daher befasse ich mich mit den Inhalten mehr als mit der reinen
Grammatik wie in unteren Klassenstufen. Da ich jedoch als eine von zwei L2ern [DAV: Latein 2. Fremdsprache] in einem L3er-Kurs [DAV: 3. Fremdsprache] sitze, arbeite ich oft selbstständig, da ich teils nicht ausgelastet bin.  Auch im privaten Bereich beschäftige ich mich gern mal einen Nachmittag mit einer kleinen Übersetzungseinheit. Besonders Ovids Metamorphosen (Thema der 11. Klasse) haben mir gefallen [DAV: Metamorphosen sind Verwandlungsgeschichten.]. Daher hole ich mir die thematischen Anregungen für unsere Songs direkt aus meinem Lateinunterricht. Natürlich werden nicht alle verwendet.

Aaron: Ich  befinde mich ja immer noch in der Lehrbuchphase, wobei mein Unterricht sehr modern und abwechslungsreich gestaltet wird, um die Grammatikeinheiten ein bisschen interessanter zu machen. Ehrlicherweise muss man jedoch sagen, dass ich mich in der Schule nicht in gleichem Maße für Latein interessiere wie in der Musik, auch wenn ich die Texte letzten Endes nicht schreibe...

DAV: Welche Literaturpassagen haben euch im Zusammenhang mit eurer Songtextgestaltung besonders beschäftigt und warum?


Josie: Zunächst sei gesagt, dass Aaron vor allem das Thema mitentwickelt (teils auch den Refrain) und das Entstandene schließlich auf Singbarkeit prüft. Am meisten habe ich selbst mich wohl mit Ovids Metamorphosen beschäftigt, was nicht zuletzt darin begründet liegt, dass unser erster Song "Turpis Sors" auf der Geschichte von Pyramus und Thisbe basiert. Diesen Song habe ich im Dezember 2008 für die zweite Runde des CERTAMEN CIMBRICUM  [DAV: Wettbewerb des Altphilologenverbandes Schleswig-Holstein] getextet und komponiert, an dem ich von der Schule aus teilgenommen habe.

Eigentlich hatte ich mir nicht viel davon versprochen, sondern wollte die Chance nutzen, den Ablauf bei diesem Wettbewerb schon einmal mitzuerleben, um 2011 schon zu wissen, wie der Hase läuft.

Als Elftklässlerin hatte ich erwartet, nicht viel 'reißen' zu können gegen die ganzen anderen, älteren Schüler! Naja, in dem Zusammenhang habe ich mir zum Thema "omnia vincit amor" [DAV: Amor besiegt alles] einen Text gesucht, zu dem ich auch heutzutage noch Beziehung aufbauen kann.... Pyramus und Thisbe von Ovid fand ich da in vielerlei Hinsicht passend. Anstoß war da die Lateinlehrerin eines Kurses meines Jahrganges, die diese Metamorphose gerade in ihrem Kurs übersetzte. Ich nahm außerhalb meines eigentlichen Unterrichts an diesem Kurs so oft wie möglich Teil, um mehr Lateinunterricht zu haben.

Danache habe ich mich weiter - auch im Rahmen meines Kurses - mit Ovidschen Texten befasst, so dass unsere Songs auf folgenden Texten basieren: Pygmalion (Ovid), Daedalus et Icarus (Ovid), Pyramus & Thisbe (Ovid), Aeneis (Vergil), Oedipus (Seneca) Der letzte Song (zugleich Albumstitel) stellt dann die Verbindung (die Aaron und ich in den Geschichten sahen) dar: Fortis es!

DAV: Habt ihr Lieblingsautoren im engeren Sinne?


Josie: Mein Lieblingsautor ist und bleibt Ovid! Sowohl Inhalt als auch Sprache finde ich, vor allem in seinen Metamorphosen, faszinierend. Auch die Fabeln von Phaedrus mag ich sehr. Latein begeistert
mich eigentlich in seiner Gesamtheit. Es gibt schließlich nicht nur historische Werke, die Kriege, Schlachten und Senatsreden schildern, sondern auch brilliante Satiriker und Romanerzähler... Ich weiß nicht, wie ich das anders ausdrücken soll.


DAV: Wie reagiert euer Publikum auf eure Lieder?

 

Aaron: Viele finden das, was wir machen, gut, manche leider nicht. Dann heißt es meistens: "Musik auf Latein? Langweilig!" Das ist eigentlich sehr schade, weil diese Leute sich meistens die Musik gar nicht anhören.

Josie: Die meisten möchten erstmal die deutsche Übersetzung hören bzw. lesen! Aber ansonsten sind bisher eigentlich alle total begeistert von unserer Musik, auch wenn es sicherlich den einen oder anderen gibt, der es schrecklich findet. Aber ich habe bislang immer nur sehr, sehr positives Feedback bekommen. Viele sind überrascht, wie toll Latein klingt ("Ein bisschen wie Italienisch!" - sagen viele) und dass sich junge Leute damit in ihrer Freizeit befassen. Manche interessieren sich auch weitergehend für unsere Musik, indem Sie wissen wollen, wie alles entstanden ist etc. Einige finden aber auch einfach unsere Musik an sich gut, unabhängig davon, in welcher Sprache wir singen.

 

DAV: Plant ihr schon ein weiteres Projekt?


Josie und Aaron: Zunächst einmal würden wir uns natürlich freuen, wenn sich jemand findet, der unser Projekt sponsert und uns vermarktet oder so, auf jeden Fall, dass wir ein größeres Publikum erreichen und man unsere Songs vielleicht bald bei dem einen oder anderen Radiosender hören kann. Einmal waren wir ja bereits im NDR 1 Welle Nord zu hören. Vielen Dank nochmal an den NDR!

Gegen Auftritte bei Seminaren, in Schulen oder auch bei privaten Veranstaltungen hätten wir natürlich ebenfalls nichts einzuwenden. Aber das Wichtigste ist momentan wohl erst einmal das Bekanntwerden, sei es nun über Funk und Fernsehen, Zeitung oder Mundpropaganda.
Wenn wir mit JAW Erfolg haben, werden wir auf jeden Fall gern an einem zweiten Album arbeiten, dann auch mit dem üblichen Umfang von 10-12 Songs. Unser erstes. hat ja "nur" 6, da wir ja
erstmal gucken wollten, wie die Resonanz ist. Aber auch, wenn wir keinen größeren oder gar nationalen Erfolg haben (wohl zu utopisch!), werden wir weitermachen und neue Songs
komponieren. Schließlich haben wir ja bereits einige CDs an Fans verkauft. Für die wollen wir mit voller Energie weitermachen.


DAV: Welche Botschaft möchtet ihr noch an euer Publikum loswerden?


Josie und Aaron: Latein ist lange nicht so tot, wie man denkt und steht unserer Meinung nach anderen Sprachen in nichts nach! Wir möchten daher mit unserer Musik gern möglichst viele
Menschen erreichen, um Latein wieder mehr ins Gedächtnis der Leute zu rufen. Außerdem geht unser Dank natürlich an alle, die uns in der vergangenen Zeit unterstützt haben: Eltern, Verwandte, Freunde und natürlich unsere Lateinlehrer, ohne die dieses Projekt ja nie entstanden wäre. Zuletzt hoffen wir, einigen jüngeren oder auch älteren "Schülern" zeigen zu können, was man alles Tolles machen kann mit Latein! - Und keine Sorge: Jede CD enthält eine pdf-Datei mit den Songtexten, sowohl auf Latein als auch in deutscher Übersetzung!



Daten zur neu erschienenen CD:


Band:               JAW (Name entstanden aus Initialien)

1. Album:         Fortis es!

Trackliste:         1.) Fortis Es; 2.) Parricidium Fraternum; 3.) Ab Peregrino Relicta; 4.) Voluntas Fatalis;

5.) Turpis Sors; 6.) Multa Felicitas.

Internet:            www.jaw-music.de
Preis:               12,00 € (zzgl. Versandkosten)

Kontakt:           info[at]jaw-music.de
Vertrieb:           momentan noch über uns selbst, da wir nicht wissen, wer uns vermarkten könnte/will                 (wie auch immer)

Stilrichtung:      Pop auf Latein

 

 

Interview:

 

Karl Boyé

- Pressesprecher DAV -